Warten Sie nicht auf Ihren Seelenverwandten.

Leviathan Press:

Wir unterliegen häufig einem Missverständnis, nämlich der Erwartung, alle Probleme des Lebens, einschließlich emotionaler Probleme, dauerhaft lösen zu können. Das Peinlichste an dieser Denkweise ist, dass sie die Flüchtigkeit und Ungewissheit aller Dinge völlig außer Acht lässt und nur Faulheit und den Wunsch nach ewiger Unveränderlichkeit übrig lässt. Noch wichtiger ist jedoch, dass eine Partei, die in den Erwartungsmodus der „Liebe auf den ersten Blick“ verfällt, leicht zu derjenigen wird, die ihren eigenen Problemen und Verantwortlichkeiten aus dem Weg geht. Das heißt nicht, dass die Suche nach einem Seelenverwandten grundsätzlich falsch ist. Schließlich wünscht sich jeder die schöne Liebe. Allerdings müssen wir auch immer wieder über uns selbst nachdenken. Denn ob eine Beziehung schön ist oder nicht, hängt letztlich von zwei Menschen ab. Dies hat sogar eine philosophische Bedeutung: Geben Sie den Wunsch nach Ewigkeit auf, versöhnen Sie sich mit der Endlichkeit und erforschen Sie Ihr Inneres.

Glaubst du an die wahre Liebe? Vielleicht würden Sie mit Ja antworten. Eine Umfrage des Statistikunternehmens Statista aus dem Jahr 2019 ergab, dass 94 % der Amerikaner an die wahre Liebe glauben. Ich bin einer von ihnen. Meine große Liebe und ich sind seit 30 Jahren verheiratet.

Ich glaube, es gibt keine großen Kontroversen darüber, dass es wahre Liebe gibt. Doch die meisten Amerikaner haben eine eher romantische als realistische Vorstellung von der Liebe. Laut einer Umfrage der Dating-Website Elite Singles aus dem Jahr 2017 glauben 61 % der Frauen und 72 % der Männer an Liebe auf den ersten Blick. Im Jahr 2011 wurde in einer Maristen-Umfrage die Frage gestellt: „Glauben Sie an Seelenverwandtschaft, daran, dass zwei Menschen füreinander bestimmt sind?“ 74 % der Männer und 71 % der Frauen antworteten mit „Ja“.

Für viele, die mit „Ja“ geantwortet haben, könnten diese weit verbreiteten, fast magischen romantischen Vorstellungen die Essenz der wahren Liebe sein. Andere bevorzugen vielleicht eine realistischere Sicht der Liebe, nämlich die, dass wahre Liebe auf lange Sicht eine Kombination aus Glück, freiem Willen und harter Arbeit ist. Es gibt Hinweise darauf, dass letztere Ansicht richtig ist. Darüber hinaus wird es durch das Schwelgen in romantischen Fantasien schwieriger, Liebe zu finden und zu bewahren.

Zahlreiche Studien haben gezeigt, dass die Mainstream-Kultur und die Medien Liebe und Romantik gerne in einem allzu rosigen Licht darstellen, wobei sich die Protagonisten meist auf den ersten Blick verlieben und glücklich bis ans Ende ihrer Tage leben. Eine Studie zu Disney-Zeichentrickfilmen ergab beispielsweise, dass die meisten von ihnen dieses Thema hatten. Sie können wiederum die romantischen Ansichten von Kindern und Jugendlichen beeinflussen.

Eine Studie aus dem Jahr 2002 mit 285 unverheirateten College-Studenten ergab einen starken Zusammenhang zwischen der Zeit, die Männer und Frauen mit dem Anschauen romantischer Fernsehsendungen verbrachten, und ihrem Wunsch nach einer romantischen Ehe. Eine Studie aus dem Jahr 2016 ergab, dass Teenager-Mädchen, die kürzlich einen romantischen Film gesehen hatten, eher „an idealistische romantische Liebe glaubten“ als andere Mädchen.

Liebe auf den ersten Blick ist in Romanen und Filmen beliebt, aber die Realität ist genau das Gegenteil. Forscher haben herausgefunden, dass das, was die Leute als „Liebe auf den ersten Blick“ bezeichnen, nichts mit den Eigenschaften wahrer Liebe zu tun hat, zu denen Leidenschaft, Intimität und Hingabe gehören. Vielmehr handelt es sich dabei um ein Wort, das Menschen verwenden, um den Prozess des Kennenlernens (unabhängig von den tatsächlichen Umständen) zu romantisieren oder eine intensive körperliche Anziehung zu beschreiben.

Obwohl es eine Fantasie ist, sich auf den ersten Blick zu verlieben, glaube ich, dass es Paaren nicht viel schadet, sich auf den ersten Blick zu verlieben. Weil es die Vergangenheit beschreibt und nicht die Erwartungen an gegenwärtige oder zukünftige Beziehungen. Andere idealistische und unrealistische Ideen können jedoch enorme negative Auswirkungen haben. Nehmen wir zum Beispiel die Vorstellung vom Schicksal oder den Begriff „Seelenverwandtschaft“ – die Vorstellung, dass zwei Menschen durch unsichtbare Kräfte zusammengeführt werden.

Eine Studie mit Hunderten von College-Studenten ergab, dass diese Annahme zu ungesunden Beziehungsmustern führen kann, etwa zu der Annahme, der Partner könne die eigenen Wünsche und Erwartungen ohne viel Aufwand oder Kommunikation verstehen und vorhersehen, weil er perfekt zu einem passt. Mit anderen Worten: Der Glaube an das Schicksal führt dazu, dass man glaubt, die andere Person könne die eigenen Gedanken lesen.

Solche Gedanken können Beziehungen zerstören. Beispielsweise kann es sein, dass Paare nach einem Streit langsamer wieder zueinanderfinden („Du solltest wissen, dass mir das nicht gefällt, auch ohne dass ich es dir sage!“), was wiederum den Schmerz verschlimmern und den Konflikt eskalieren lassen kann. Die Forscher stellten außerdem fest, dass Menschen, die an das Schicksal glaubten, eher dazu neigten, eine Beziehung durch „Verschwinden“ zu beenden. Dabei verschwindet ein Partner plötzlich, ohne ein Wort vom anderen zu hören, und der andere Partner muss die Trennung ohne Erklärung ertragen. Wenn Menschen auf der Suche nach einem Seelenverwandten das Gefühl haben, dass ihnen eine Beziehung nicht bestimmt ist, fühlen sie sich möglicherweise weniger für ihren Partner verantwortlich.

Das Gegenteil von „Schicksal“ ist der freie Wille, also die Vorstellung, dass eine Beziehung von zwei Menschen bestimmt wird und diese somit auch dafür verantwortlich sind. Falls dies unromantisch klingt: Forscher haben eindeutige Beweise dafür vorgelegt, dass die Beziehungen der Menschen umso leidenschaftlicher sind, je mehr sie an den freien Willen glauben.

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Menschen, die glauben, dass die Liebe vorherbestimmt ist, unterliegen grundsätzlich dem „Ankunftstrugschluss“: Wenn man erst einmal in einer bestimmten Situation angekommen ist, wird alles für immer gut sein. An einen Seelenverwandten zu glauben ist wie zu glauben, dass Sie wahre und dauerhafte Zufriedenheit finden, wenn Sie einen festen Arbeitsplatz bekommen, finanziell unabhängig werden oder an einen sonnigen Ort ziehen. Nichts ist menschlicher als dieser Glaube und er hilft uns, in dunklen Zeiten die Hoffnung zu bewahren. Doch das kann nur das Unglück vertreiben. Wir können keine dauerhafte Zufriedenheit erlangen – zumindest nicht in dieser Welt. Wenn wir auf einen solchen Moment warten, werden wir immer wieder enttäuscht sein.

Wenn Sie auf der Suche nach der richtigen Beziehung sind, finden Sie hier drei Möglichkeiten, diese Falle zu vermeiden.

Denken Sie zunächst daran, dass die Hollywood-Romanze nicht der Maßstab für Ihre Beziehung ist. Wenn Sie in eine romantische Komödie eintauchen, denken Sie an die Schauspieler und die Hintergründe. Laut der britischen Marriage Foundation halten 52 % der Ehen (unabhängig davon, ob es sich um die erste oder die Folgeehe von A-Promis aus Film und Fernsehen handelt) nicht länger als 16 Jahre. Als die Scheidungsrate unter den Amerikanern am höchsten war, lag der Anteil der Ehen, die weniger als 16 Jahre dauerten, bei 42 %. Die erste Ehe der Gruppe mit der höchsten Scheidungsrate fand in den 1970er Jahren statt. In den 1960er Jahren lag die Scheidungsrate bei amerikanischen Paaren, die zum ersten Mal eine Ehe eingingen, bei 32 Prozent. Die durchschnittliche Scheidungsrate im Vereinigten Königreich beträgt 31 %. Auch die Filmemacher können im Film nicht halten, was sie versprechen. Wenn es sein muss, können Sie sich gelegentlich eine romantische Komödie als Unterhaltung ansehen, genau wie einen Science-Fiction-Film, denn beide sind gleichermaßen unwirklich.

Zweitens: Arbeiten Sie an Ihrer Beziehung, um sicherzustellen, dass sie mehr ist als nur eine glühende Leidenschaft. Es ist unrealistisch, die Leidenschaft in der Liebe für immer aufrechtzuerhalten, und selbst wenn das gelingt, wird es Sie nicht glücklich machen. Im Gegenteil: Die glücklichsten und langlebigsten Liebesbeziehungen sind jene, die Leidenschaft in Freundschaft verwandeln können. Die Leidenschaft ist immer noch da, aber im Grunde basiert sie auf einer tiefen Freundschaft. Wenn die Liebe tiefer wird und Sie die Früchte der Liebe ernten möchten, fragen Sie sich nicht: „Sind wir immer noch so leidenschaftlich wie am Anfang?“ Fragen Sie sich stattdessen: „Hat sich unsere Freundschaft vertieft?“

Fragen Sie Ihr Gegenüber abschließend gleich zu Beginn, ob es an Schicksal glaubt. Manche Menschen sagen, sie suchen nach einem „Seelenverwandten“ oder glauben an Liebe auf den ersten Blick. Dies mag ein wunderbarer Anfang sein, aber nach einigen Wochen oder Monaten könnte er/sie Ihnen vorwerfen, dass Sie nicht in der Lage sind, in sein/ihr Herz zu sehen, und deshalb von Ihnen enttäuscht sein oder plötzlich nicht mehr auf Sprachnachrichten, Textnachrichten, private Nachrichten oder E-Mails antworten. Es wäre besser, jemanden zu finden, der realistisch ist.

Dauerhafte Liebe ist kein kosmischer Schalter, der von einer mysteriösen Kraft betätigt wird und ein für alle Mal existiert. Es ist vielmehr ein Thermometer, das sich mit der Zeit erwärmt, wenn wir einander Verpflichtungen auferlegen und diese einhalten. Das Streben nach romantischer Liebe ist wie das Streben nach anderen wichtigen Dingen. Erfolg kann nur durch kontinuierliche Anstrengungen erreicht werden und Zufriedenheit kann nur durch eine gut gemachte Arbeit erlangt werden.

Shakespeare schrieb in seinem Sonett 116:

„Die Liebe wird sich im Laufe der Zeit nie ändern, sondern ewig währen, sogar bis ans Ende der Welt.“ Die wahre Liebe wird immer weitergehen, auch wenn der Weg manchmal holprig ist. Schwierigkeiten und Tiefpunkte bedeuten nicht, dass zwei Parteien zwangsläufig unvereinbar sind. Diese sind unvermeidlich und bieten auch die Möglichkeit, sich gegenseitig weiterzuentwickeln. Gerade weil die Liebe nicht vom Schicksal bestimmt ist, wird eine langjährige Romanze zu einem süßen Abenteuer.

Von Arthur C. Brooks

Übersetzt von Rachel

Korrekturlesen/Yord

Originaltext/www.theatlantic.com/family/archive/2021/09/soul-mates-love-destiny/620014/

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Der Artikel spiegelt nur die Ansichten des Autors wider und stellt nicht unbedingt die Position von Leviathan dar